Interview
01.09.2016
[Ein Hinweis: Ein unterstrichenes Wort mit Sternchen * bedeutet: Am Ende vom Text steht zu diesem Wort eine Erklärung.]
Dieter Bauer arbeitet beim Katholischen Bibelwerk in Stuttgart. Er und mehrere andere Personen machen etwas zusammen: Sie übersetzen Texte aus der Bibel in Leichte Sprache.
Ich freue mich, dass Herr Bauer auf meine Fragen geantwortet hat:
Herr Bauer, zuerst möchte ich Sie fragen: Haben Sie Lieblings-Stellen in der Bibel?
Wenn ja: Verraten Sie uns eine davon?
Ich habe sogar viele Lieblings-Stellen in der Bibel. Eine Lieblings-Stelle ist von Jesus. Er hat gesagt: „Macht euch keine Sorgen. Und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? Euer Vater im Himmel weiß, dass ihr das alles braucht.“ Das gefällt mir sehr. Weil ich mir immer viel zu viele Sorgen mache.
Wie hat diese Übersetzungs-Arbeit angefangen? Wer hatte die Idee, Texte aus der Bibel in Leichte Sprache zu übersetzen?
Die Übersetzungs-Arbeit hat Schwester Paulis angefangen. Sie hat in Nürnberg jeden Sonntag das Evangelium* übersetzt. Damit es die Menschen im Gottes-Dienst auch verstehen können. Und dann hatte sie die Idee mit dem Internet. Damit noch mehr Menschen die Texte lesen und verstehen können.
Wie viele Personen arbeiten an einem Text?
Welche Aufgaben haben diese Mitarbeiter?
Wir sind insgesamt ungefähr 10 Personen an vier verschiedenen Orten in Deutschland. Schwester Paulis übersetzt. Dann schauen 3 andere Personen*, ob die Texte verständlich sind.
Dann schauen nochmal 4 andere Personen* die Texte an. Das sind Theologinnen und Theologen*. Sie schauen, ob die Übersetzung theologisch richtig ist.
Dann prüfen 2 andere Personen* die Texte nochmal, ob sie verständlich sind. Und dann erst kommen sie ins Internet.
Wir arbeiten an jedem Text ungefähr 6 Wochen.
Kennen Sie Ihre Leser oder einige davon?
Sagen manche Leser auch ihre Meinung zu den Texten?
Wir bekommen immer wieder Mails von Leuten. Diese Leute verwenden unsere Texte im Gottes-Dienst. Sie freuen sich sehr, dass es diese Texte gibt. Dann müssen sie die Evangelien* nicht selber übersetzen.
Sie kennen also Pfarrer oder kirchliche Mitarbeiter, die Ihre leichten Texte verwenden?
Ja. Wo ich arbeite, verwenden fast alle kirchlichen Mitarbeiter diese Texte in ihren Gottes-Diensten mit Menschen mit Behinderung.
Man kann die Bibel-Texte in Leichter Sprache im Internet lesen:
http://www.evangelium-in-leichter-sprache.de/
Gibt es diese Texte auch als Heft oder als Buch?
Diesen Herbst noch wird ein erstes Buch erscheinen mit allen Evangelien für das kommende Jahr. Darin sind dann auch Bilder zu den Texten. Und im Frühjahr möchten wir ein Heft machen mit den schönsten Texten.
Bestimmt schreiben Sie es auf Ihre Internet-Seite, wenn das Buch und das Heft fertig sind*. Ich bin neugierig darauf.
Noch etwas möchte ich fragen: Was ist der Unterschied zwischen einer Bibel in Leichter Sprache und einer Kinder-Bibel?
Die Bibel in Leichter Sprache ist nicht für Kinder geschrieben, sondern für Erwachsene. Das ist wichtig. Diese Menschen wollen nicht wie kleine Kinder behandelt werden.
Gibt es Stellen in der Bibel, die man nicht in Leichte Sprache übersetzen kann?
Es gibt viele Stellen, die schwierig zu übersetzen sind. Aber bisher finden wir immer eine Lösung.
Ist Ihnen das schon passiert: Sie kennen einen Bibel-Text. Sie lesen ihn zum ersten Mal in Leichter Sprache. Und dabei entdecken Sie etwas Neues?
Das ist auch schon passiert. Obwohl wir die Texte selber übersetzt haben, gehen uns manchmal die Augen auf für das Neue, das in den Texten steckt. Das ist dann eine große Freude.
Herr Bauer, ich freue mich über diese Einblicke in die Übersetzungs-Arbeit. Ihre Antworten zeigen:
Für so eine Übersetzung braucht man viel Zeit und viel Sorgfalt. Damit sie richtig gut wird.
Und ich finde: Gerade die Bibel soll für viele Menschen leicht verständlich sein. Darum ist diese Übersetzungs-Arbeit wertvoll.
Danke dafür. Und danke, dass Sie sich Zeit für meine Fragen genommen haben.
* Erklärungen zum Text:
Evangelium/Evangelien:
Es gibt in der Bibel vier Evangelien. Das sind vier Bücher, die von Jesus Christus erzählen.
Im Gottesdienst wird ein Stück aus einem Evangeliums-Buch vorgelesen. Zu diesem Abschnitt sagt man auch Evangelium.
Theologen/Theologinnen:
Das sind Männer und Frauen, die viel über Gott gelernt haben. Sie kennen die Bibel sehr gut.
Personen, die an der Übersetzung mit-arbeiten:
Die Übersetzerin ist Schwester Paulis.
4 Personen arbeiten beim Bibelwerk in Stuttgart. Dazu gehört Dieter Bauer.
3 Personen sind aus dem Haus Früchting in Vreden.
Und dann gibt es noch 2 Mitarbeiter im Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg.
Nachtrag im Februar 2018:
Inzwischen gibt es viele Bibel-Texte schon als Buch. Hier steht mehr darüber:
Evangelium Leichte Sprache/Buch (bitte anklicken).
Liebe Leserin/lieber Leser,
hast du noch Fragen? Möchtest du deine Meinung sagen?
Sehr gerne. Dafür ist das Kommentarfeld ganz unten da.
Text: Fragen und Erklärungen von Gudrun Nilius (Wort-Marie)
Antworten von Dieter Bauer
Beitragsbild von Dieter Bauer
Danke für diesen interessanten Einblick!
So viele Menschen arbeiten zusammen,
bis ein Bibel-Text in Leichter Sprache vorliegt!
Mir gefällt das Angebot auf der Webseite:
das Evangelium für jeden Sonntag als leicht lesbarer Text.
Diese schlichte Sprache ist einprägsam.
Ich habe noch eine Frage an Herrn Bauer:
Wie gehen Sie mit bekannten Sprüchen um,
zum Beispiel mit dem Vaterunser oder den Geboten?
Als Kind habe ich dabei vieles nicht verstanden,
doch das hat mich nicht gestört,
weil ich den Klang solcher Sprüche schön fand.
Liebe Grüße
Sabine Manning
Liebe Frau Manning,
ich habe mich sehr gefreut. dass Ihnen unser Angebot zur Bibel in Leichter Sprache gefällt.
Zu Ihrer Frage mit den geprägten Texten wie dem Vater Unser: Auch da versuchen wir eine Übertragung in Leichte Sprache. Auch das soll ja verständlich sein, was die Menschen beten. Und es ist ja trotzdem jedem unbenommen, die schönen „Originale“ zu verwenden.
Liebe Grüße
Dieter Bauer
Liebe Gudrun,
tolle Fragen hast du gestellt!
Sie verhelfen uns zum wichtigen Überblick, aber auch zu schönen Einblicken.
Danke!!
Herr Bauer sagt:
“Wo ich arbeite, verwenden fast alle kirchlichen Mitarbeiter diese Texte in ihren Gottes-Diensten mit Menschen mit Behinderung.”
Mich würden auch die Reaktionen der Behinderten selbst, die diese Gottesdienste besuchten, interessieren.
Ihre Meinung, ihre Reaktionen wären sehr aufschlussreich.
Gibt es vielleicht eine analoge Initiative bei der Protestantischen Kirche?
Oder, vielleicht sogar eine Zusammenarbeit?
Liebe Ariadni,
danke für deine Anerkennung!
In der evangelischen Kirche kenne ich auch etwas: Es gibt Informationen zum ‚Deutschen Evangelischen Kirchentag‘ in Leichter Sprache.
Gut, dass du nachgefragt hast. Ich werde den Link zum Kirchentag auf der Seite „Mehr lesen in Einfacher Sprache“ noch einfügen.
Auf der Seite Mehr lesen über Einfache Sprache erwähne ich das Buch „Leicht Lesen. Der Schlüssel zur Welt.“ In dem Buch gibt es ein Kapitel von Anne Gidion. Sie ist evangelische Theologin und schreibt über Leichte Sprache.
Besonders gut gefallen mir diese Aussagen über Sprache im Gottesdienst (nicht in Leichter Sprache):
„Wenn es gut geht, mache ich Erfahrungen, die mich im Herzen berühren und genau mich meinen. Oder ich sehe wie eine Sternschnuppe von ferne etwas von jener großen Wahrheit, die vor mir war und nach mir sein wird. Ich bin jedenfalls der festen Überzeugung, dass alle in der Verkündigung und Liturgie Tätigen immer wieder die Aufgabe haben, eine Sprache zu finden, die Ohren und Herzen öffnet. Und wenn Leichte Sprache dazu beitragen kann, ist sie im Gottesdienst genau am richtigen Ort.“
Das ist wunderbar ausgedrückt. Und es passt auch zu den Texten von Dieter Bauer und seinem Team.