Interview
26.06.2016
Sabine Manning und ich haben uns über unser gemeinsames Interesse für Einfache Sprache kennengelernt. Wir haben beide auf Facebook eine Seite zu diesem Thema.
Die Seite von Sabine heißt Multisprech. Sie hat auch eine eigene Internet-Seite mit diesem Namen (www.multisprech.org).
Mit Sabine habe ich das erste Interview für diese Web-Seite gemacht.
So hat sie auf meine Fragen geantwortet:
Liebe Sabine, ich freue mich, dass du dir Zeit für meine Fragen genommen hast.
Durch das Bild lernen wir dich schon ein wenig kennen…
Das Bild zeigt, was mir Freude macht: meine Familie, Blumen auf dem Balkon, anregende Gespräche und außerdem interessante Projekte.
Und dieses Interview finde ich auch spannend – herzlichen Dank, liebe Gudrun, für die Einladung!
Sehr gerne. Ich möchte mit dir über Einfache Sprache sprechen. Am Anfang aber noch eine andere Sprach-Frage:
Du hast schon einmal einige Monate in Finnland gelebt und dort an einer Universität gearbeitet.
An der Uni kann man sich bestimmt auf Englisch verständigen. Aber wahrscheinlich nicht überall in Finnland.
Welche Erfahrungen hast du mit der finnischen Sprache gemacht?
Finnisch ist schön und klangvoll, aber schwer zu lernen. „Guten Tag“ heißt „Hyvää päivää“.
Ich konnte ein paar Worte sprechen. Das kam gut an, denn die Finnen lieben ihre Sprache.
Jetzt zur deutschen Sprache: Wie hast du die Einfache Sprache kennengelernt?
Zuerst habe ich erfahren, was Leichte Sprache ist. Das fand ich interessant. Dann las ich den Artikel von Gudrun Kellermann über „Leichte und Einfache Sprache“ [Link].
Das hat mich neugierig gemacht: Füllt Einfache Sprache die Lücke zwischen Leichter und ‚schwerer‘ Sprache?
Warum wolltest du dich dann genauer mit Einfacher Sprache beschäftigen?
Ich wollte gern Flüchtlingen und Zuwanderern helfen. Viele können wenig oder kein Deutsch, aber sie sprechen andere Sprachen. Und sie wollen Deutsch lernen.
Für diese Menschen kann Einfache Sprache hilfreich sein. Mich bewegt die Frage: Wie kann Einfache Sprache dazu beitragen, dass diese Menschen in Deutschland heimisch werden.
Auf deiner Internet-Seite Multisprech sammelst du viele Informationen über Einfache Sprache. Welche Wünsche hast du für diese Seite? Welche Pläne hast du damit?
„Multisprech“ soll Lust auf sprachliche Vielfalt machen. Die Info-Seite „Einfache Sprache“ [Link] gehört dazu. Ich hoffe, sie hilft beim Gedankenaustausch mit Sprach-Experten und mit Flüchtlings-Helfern.
Zukünftig möchte ich Texte für Geflüchtete und Zugewanderte anbieten. Ein erster Versuch dazu ist die neue Seite „Leicht zum Lesen“ [Link]. Hier sind Texte in Einfacher und Leichter Sprache zu finden.
Du selber liest und verstehst schwere Texte.
Gibt es auch Texte, die du lieber in Einfacher Sprache liest oder lesen würdest?
Wenn ja, was für Texte sind das?
Texte aus Recht und Verwaltung würde ich gern in Einfacher Sprache lesen, neben dem Original-Text.
Reizvoll finde ich Poesie in Einfacher Sprache. Solche Texte habe ich zuerst bei „Wort-Marie“ auf Facebook entdeckt. 🙂
Du sprichst fließend Englisch. Kennst du Einfache Sprache auch auf Englisch?
Bisher kenne ich ‚Basic English‘. Das ist eine vereinfachte Form des internationalen Englisch.
Mich interessiert auch das Projekt ‚Easy-to-Read‘ (‚leicht zu lesen‘). Dieses Projekt ging von Schweden aus. Es wird weltweit von Bibliotheken und Verlagen unterstützt.
Du hast großes Interesse an Sprachen. Verrätst du uns noch eine zweite Sache, für die du dich interessierst?
Mein berufliches Feld ist die Bildungs-Forschung. Ich arbeite in europäischen Projekten und Netzwerken.
Hier geht es auch um Sprache: Wie können sich Partner aus über 30 Ländern gemeinsam verständigen? Meist auf Englisch – am besten so klar und deutlich wie möglich!
Sabine, nochmals danke, dass du mitgemacht hast.
Ich finde es gut, dass du mit deiner Seite Multisprech die Sprach-Arbeit mit Flüchtlingen unterstützen möchtest. Ich wünsche dir, dass sich viele dafür interessieren und mitmachen.
Liebe Leserin/lieber Leser,
hast du noch eine Frage? Oder willst du deine Meinung sagen?
Im Kommentar-Feld ist Platz dafür.
Text: Fragen von Gudrun Nilius (Wort-Marie)
Antworten von Sabine Manning
Beitrags-Bild von Sabine Manning
[…] Hier kann man das ganze Gespräch lesen: Sabine Manning über Finnisch, Englisch und einfaches Deutsch […]
Liebe Gudrun,
ich kenne Einfache Sprache aus der Arbeit mit Migrantinnen-Organisation. Das Interesse in diesem Bereich ist groß, damit Menschen der Zugang zu Alltag und zu den Behörden erleichter wird. Ich habe allerdings noch nicht damit gearbeitet 🙂 Ich frage mich, weshalb du und deine Kollegin von „Zuwanderer“ spricht. In selbstorganisierten Zusammenhängen wie auch in emanzipativeren Forschung ist immer die Rede von „Migrantinnen“,
Meine zweite Frage wäre nach den Umgang der Einfache Sprache mit geschlechtergerechter Sprache. Schließt die eine die andere aus?
Liebe Assimina,
danke für dein Interesse und deine Fragen. Du sprichst ein wichtiges Thema an: Dass man Worte bewusst und sorgsam verwenden soll. Darüber mache ich mir beim Schreiben auch Gedanken. Weil ich weiß: Worte drücken eine Haltung aus. Worte können Einstellungen und Gefühle beeinflussen.
Ich selbst verwende den Begriff „Migranten“ häufiger als den Begriff „Zuwanderer“. „Zuwanderer“ hat für mich persönlich aber keinen schlechte Bedeutung. Hast du den Eindruck, dass dieses Wort abwertend klingt?
(Wenn man den Ausdruck verwendet: Ein bisschen genauer wäre es vielleicht, „Zugewanderte“ zu sagen. Weil die „Wanderung“ ja vorbei ist. Jetzt sind die Menschen da.)
Auch die Begriffe Flüchtlinge, Geflüchtete, Flüchtende und ähnliche Wörter werden diskutiert. Zu jedem Begriff kann man Vorteile und Nachteile finden. „Flüchtling“ ist (bisher) das bekannteste und verständlichste Wort. Darum hat es seine Berechtigung in der Einfachen Sprache. Das heißt für mich aber nicht, dass andere Begriffe ausgeschlossen sind. Als Autorin muss ich immer aufmerksam bleiben für solche Themen. Und für Entwicklungen im Sprach-Gebrauch.
Deine zweite Frage beschäftigt mich ebenfalls. Eine geschlechtergerechte Sprache finde ich gut.
Ich denke nicht, dass sich geschlechtergerechte Sprache und Einfache Sprache ganz ausschließen. Aber sie sind auch nicht leicht zu vereinbaren.
Denn in der Einfachen Sprache haben Verständlichkeit und Leseflüssigkeit große Bedeutung. Alles, was die Texte länger und umständlicher macht, muss man sich gut überlegen.
Ich selbst mache es bis jetzt meistens so: In der Anrede verwende ich oft die männliche und die weibliche Form. Zum Beispiel: Liebe Leserin, lieber Leser. Im Text verwende ich eher nur die männliche Form, auch wenn Frauen mit-gemeint sind. Weil man so eben flüssiger und schneller lesen kann.
Auf jeden Fall ist es gut, wenn man über solche Fragen nachdenkt und im Gespräch bleibt.
Vielleicht wollen auch andere Leser ihre Meinung dazu schreiben?